Veröffentlicht am 09. Mai 2025

Benny Schey
Der neue Papst ist gewählt. Eine Nachricht, die um die Welt geht. Millionen Menschen googeln gerade „Vatikan“, klicken auf die Website – und landen auf einem digitalen Irrgarten.
Wer versucht, sich dort zurechtzufinden, landet irgendwann auf einem kleinen Symbol mit Rollstuhl-Icon: einem sogenannten Accessibility Overlay. Klingt gut. Ist es aber nicht.
Denn diese Lösung tut so, als wäre alles barrierefrei – dabei ist sie oft das Gegenteil davon. Und die Website selbst? Überladen, unübersichtlich, technisch in die Jahre gekommen.
Ein Paradebeispiel dafür, warum echte Barrierefreiheit nicht nachträglich aufgeklickt werden kann.
Was ein Accessibility-Overlay ist – und was es nicht kann
Accessibility-Overlays sind Tools, die man auf Webseiten installiert, um auf Knopfdruck Barrierefreiheit zu erzeugen. Sie bieten Funktionen wie: Schriftgröße ändern, Kontraste umschalten, Text-zu-Sprache oder eine simulierte Tastaturnavigation.
Das klingt auf dem Papier sinnvoll – ist in der Praxis aber oft ein Problem. Warum?
- Die Seite selbst bleibt technisch unzugänglich
- Screenreader-Nutzerinnen und Nutzer profitieren nicht, weil die Struktur nicht stimmt
- Die Bedienung der Overlays ist oft selbst nicht barrierefrei
- Sie verschleiern, dass an der eigentlichen Website nichts verbessert wurde
In manchen Ländern gab es sogar Klagen gegen Website-Betreiber – weil Overlays mehr versprechen, als sie halten.
Was echte Barrierefreiheit bedeutet
Barrierefreiheit heißt nicht: Ich baue eine Funktion ein.
Es heißt: Ich denke Menschen mit – von Anfang an.
Ein paar Basics, die jede gute Website erfüllen sollte:
- Klare Struktur: Überschriften richtig verwenden (H1, H2, H3 …)
- Keyboard-Navigation: Alles muss ohne Maus bedienbar sein
- Kontraste: Texte müssen auch bei Sonnenlicht lesbar sein
- Alt-Texte: Bilder brauchen sinnvolle Beschreibungen
- Fokusführung: Was ist aktiv? Wo bin ich gerade?
Und ganz wichtig: Weniger ist oft mehr. Ein schlanker, durchdachter Aufbau hilft allen – nicht nur Menschen mit Einschränkungen.
Die Vatikan-Website als digitales Negativbeispiel
Die Vatikan-Website ist ein Museum aus Webtechnologie, gestapeltem Content und wirrem Layout.
Hier ein paar Dinge, die direkt auffallen:
- Kein klares visuelles Raster
- Endlose Linklisten ohne Hierarchie
- Sprachwahl? Kaum auffindbar
- Responsives Design? Fehlanzeige
- Das Overlay wirkt wie ein Fremdkörper – und blendet beim Scrollen nach oben einfach weg
Wer mit Screenreader oder Tastatur unterwegs ist, hat es schwer. Und wer nur schnell eine Info sucht, verliert sich im strukturellen Chaos.
Besonders bitter: Eine Institution, die Inklusion und Nächstenliebe predigt, schafft es nicht, ihre Inhalte zugänglich zu machen.
Was du daraus für deine Website mitnehmen kannst
Vielleicht denkst du jetzt: „Ich bin ja kein Vatikan, ich hab doch nur eine kleine Website.“
Genau deshalb lohnt es sich. Denn du bist nah dran an deinen Nutzerinnen und Nutzern. Und du kannst Dinge einfacher und besser lösen.
Drei Dinge, die du konkret besser machen kannst:
- Von Anfang an mitdenken: Accessibility beginnt beim Design – nicht bei der Nachrüstung.
- Weniger Schnickschnack: Reduziere Ablenkung und Animationen, die keinen echten Mehrwert bringen.
- Teste regelmäßig: Öffne deine Seite mal mit der Tastatur. Oder lass sie dir mit einem Screenreader vorlesen.
Du brauchst kein großes Budget. Nur echtes Interesse an den Menschen, die deine Seite besuchen.
Fazit: Keine Showlösungen – sondern echte Zugänglichkeit
Die Vatikan-Website zeigt sehr anschaulich, wie man Accessibility missverstehen kann: als Pflichtübung, als Plugin, als Feigenblatt.
Doch Barrierefreiheit ist nichts, was man abkürzen kann. Sie ist Teil einer guten Website – genau wie Design, Technik und Inhalte.
Und sie lohnt sich.
Weil sie Menschen einschließt, statt sie auszuschließen. Und weil sie deine Seite besser macht – für alle.