Veröffentlicht am 10. Mai 2025

Benny Schey
Warum Entwickler bestimmte Tools lieber meiden würden – auch wenn sie sie täglich nutzen (müssen)
Es gibt Tools, die liebt man. Es gibt Tools, die nutzt man. Und es gibt Tools, die man nutzt, obwohl man sie hasst. Willkommen in der Welt der „Dreaded Tools“ – Systeme, die tief in der Webentwicklung verankert sind, aber regelmäßig Frust auslösen.
Die aktuelle Stack Overflow Developer Survey 2024 bringt es auf den Punkt: Technologien wie WordPress, Next.js oder jQuery sind weit verbreitet – aber unter Entwicklern oft unbeliebt. Die Gründe reichen von technischen Altlasten über fehlende Flexibilität bis hin zu fragwürdigen Business-Modellen.
Doch was genau macht ein Tool „verhasst“? Und warum halten sich diese Systeme trotzdem so hartnäckig?
1. WordPress – Wenn ein CMS zu groß wird, um gut zu sein
Mit über 60 % Marktanteil ist WordPress immer noch das dominierende Content-Management-System im Web. Doch bei Entwicklern landet es regelmäßig auf den hintersten Plätzen – und das aus gutem Grund.
Die technische Basis von WordPress stammt aus einer Zeit, in der das Web noch aus Blogposts und Sidebar-Widgets bestand. Seitdem wurde das System zwar modernisiert, aber nie grundlegend überarbeitet.
Das Ergebnis: Sicherheitslücken en masse, veraltete Plugin-Strukturen, Performance-Probleme – und eine Community, die mehr mit Workarounds als mit sauberem Code arbeitet. Laut aktuellen Zahlen sind 58 % aller WordPress-Installationen unsicher, weil sie veraltete Plugins enthalten.
Custom-Themes mit Gutenberg? Möglich – aber oft nur mit nervigem JavaScript-Gefrickel, instabilen Block-Editoren und schwer nachvollziehbarem Markup. Wer Performance und Sicherheit ernst nimmt, sucht sich längst Alternativen.
2. Wix Studio – hübsch verpackt, schlecht programmiert
Wix hat 2024 ordentlich nachgelegt: Ein neues Studio, neue UI, neue Features. Klingt gut. Funktioniert aber schlecht.
Laut Nutzerberichten kommt es bei simplen Layout-Änderungen regelmäßig zu massiven Bugs – Seiten, die sich spontan zerschießen, Elemente, die nicht mehr anklickbar sind. Und das bei einem Preis von 19 $ im Monat – was immerhin 6,5-mal teurer ist als klassisches Hosting.
Wirklich kritisch wird es aber beim Thema Kontrolle: Entwickler bekommen keinen vollständigen Zugriff auf den Code, das DOM bleibt teilweise unzugänglich. Wer komplexe Animationen oder Logik integrieren will, stößt schnell an Grenzen.
3. jQuery – der Zombie unter den JavaScript-Tools
jQuery ist tot. Es weiß es nur noch nicht.
Trotzdem läuft es auf über einem Drittel aller Websites – ein Relikt aus einer Zeit, als document.ready()
noch das Maß aller Dinge war.
In modernen Webprojekten bringt jQuery vor allem Probleme: schlechtere Performance, verwirrendes DOM-Chaos, keine State-Verwaltung, kein Konzept von Komponenten. Und SEO? Auch da zeigt sich jQuery von seiner schlechtesten Seite: Mobile-First-Rankings fallen im Vergleich zu React, Vue oder Svelte deutlich ab.
4. Next.js – Komplexität im Namen der Flexibilität
Next.js galt lange als das Maß der Dinge im React-Universum. Doch mit Version 14 ist die Stimmung gekippt.
Der neue App-Router bringt zwar mächtige Features – aber auch inkonsistentes Verhalten, verwirrende Caching-Strategien und ständige Breaking Changes.
Hinzu kommt der Vercel-Lock-in: Wer das Framework selbst hosten will, bekommt es mit einer undurchsichtigen Konfigurations-Hölle zu tun. Die versprochene KI-Integration? Laut Umfrageberichten sind gerade einmal 12 % der Anwendungsfälle wirklich nützlich.
5. Angular – Enterprise-Framework mit Burnout-Potenzial
Angular ist wie ein schwerer SUV: mächtig, technisch eindrucksvoll – aber in den meisten Fällen völlig überdimensioniert.
Gerade für kleine bis mittlere Projekte bringt Angular mehr Probleme als Lösungen: zu viele Abhängigkeiten, zu steile Lernkurve, zu große Bundles. Eine durchschnittliche Angular-App ist heute über doppelt so groß wie ein vergleichbares SvelteKit-Projekt.
Selbst TypeScript-Fans steigen hier oft aus – denn Angular kombiniert es mit RxJS, Decorators, DI-Systemen und einem Lifecycle-Management, das selbst erfahrene Devs ins Schwitzen bringt.
6. Webflow – gutes Design, schlechter Code
Webflow wird von Designer:innen geliebt – aber Entwickler verdrehen spätestens beim Export die Augen.
Denn unter der Haube sieht der Code oft aus wie ein schlechter Witz: unstrukturierte Klassen, Inline-Styles, redundante Div-Nester.
Dazu kommt das sperrige CMS, das nur begrenzte API-Zugriffe erlaubt – und die neue Preisstruktur: Agentur-Pläne kosten bis zu 1.200 $ im Jahr. Wer mehr will als visuelles Clicky-Bunty, ist hier schnell raus.
7. Squarespace – hübsch für Portfolios, frustrierend für Projekte
Squarespace bietet schöne Templates und einfache Bedienung – solange man nichts Eigenes vorhat.
Denn selbst simple CSS-Anpassungen stoßen auf harte Grenzen: Nur ein Bruchteil der Styles lässt sich wirklich beeinflussen.
Wer ein Shop-System integrieren will, bekommt zusätzlich 3 % Transaktionsgebühren – und einen E-Commerce, der sich eher wie ein Feature fühlt als wie ein echtes System.
8. Nuxt.js – Vue mit Extras, die keiner braucht
Nuxt 3 bringt Vue ins Meta-Framework-Zeitalter – aber nicht ohne Nebenwirkungen.
Die Migration von Nuxt 2 ist schlecht dokumentiert, SSR erfordert komplexe Konfigurationen, und das Dev-Ökosystem ist noch lange nicht auf Next.js-Niveau.
Für kleinere Projekte ist Nuxt oft zu viel – für größere zu wenig stabil. Ein Framework zwischen den Welten, das viele Entwickler lieber meiden.
9. Framer – Figma trifft React, aber verliert unterwegs was
Framer wirkt auf den ersten Blick wie die perfekte Symbiose: Design und Code vereint. In der Praxis entsteht aber vor allem Chaos: Der generierte React-Code ist aufgebläht, schwer lesbar und oft kaum wartbar.
Responsive Design? Nur begrenzt. Breakpoints unter 320px? Fehlanzeige.
Wer eine ernsthafte Web-App bauen will, nutzt lieber ein echtes Framework.
10. Astro – das geliebte Sorgenkind
Astro ist schnell, smart und modular. Aber eben auch jung.
Die „Islands“-Architektur ist elegant, führt aber bei komplexeren Interaktionen häufig zu Problemen bei der Hydration – besonders bei Integrationen mit Third-Party-Libraries.
Das Plugin-Ökosystem ist noch im Aufbau: Mit knapp über 100 offiziellen Integrationen ist man weit hinter Next.js. Trotzdem: Astro ist kein schlechtes Tool. Es ist nur noch nicht ganz erwachsen.
Die unbeliebtesten CMS – Frust mit System
WordPress
Sicherheitslücken, Plugin-Hölle, langsame Ladezeiten – WordPress bleibt auch im CMS-Ranking auf Platz 1 der meistgehassten Systeme.
TYPO3
Viel zu groß, viel zu alt. Was als Enterprise-System gedacht war, scheitert heute an seiner eigenen Komplexität.
Joomla
Design wie 2012, Funktionen wie 2014 – und eine Community, die eher Nostalgie als Innovation lebt.
Drupal
Komplex, kryptisch, kaum Community. Selbst für einfache Aufgaben braucht man tiefes Expertenwissen.
Wix
Sperrig, geschlossen und kaum exportierbar. Einmal drin, kommt man nicht mehr raus – weder mit dem Code noch mit der Website.
Warum hassen Entwickler diese Tools?
Die Frustration hat vier Hauptursachen:
1. Veraltete Architektur
Ob jQuery oder TYPO3 – viele dieser Tools basieren auf Technologien, die nie für das heutige Web gedacht waren.
2. Komplexität ohne Mehrwert
Next.js, Angular oder Drupal bieten viele Features – die aber kaum ein Projekt wirklich braucht.
3. Fehlende Kontrolle
Wix, Squarespace oder Webflow schränken die Kontrolle über Code und Hosting ein.
4. Sicherheits- und Performance-Probleme
WordPress & Co. verlangen ständige Wartung – bei gleichzeitig schlechter Performance.
Fazit: Frust ist kein Feature
2025 zeigt deutlich, welche Tools Entwickler lieber hinter sich lassen würden – auch wenn sie (noch) fest im Alltag verankert sind.
Wer heute auf neue Projekte setzt, sollte sich fragen: Muss es wirklich das System sein, das schon beim Gedanken Bauchweh verursacht?
Leichtgewichte wie Astro, SvelteKit oder sogar Hugo zeigen, dass es auch anders geht: schneller, flexibler, zukunftssicherer. Und mit deutlich weniger Frust.